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durch, der erste Stich war mißlungen. Tief erglühend forschte ich der
Ursache nach und kam endlich darauf, daß von mir vergessen worden
war, an dem Faden einen Knoten zu machen. Ich schlang also mit
großer Mühe ein Knötlein und nähte hierauf mit Erfolg, aber auch
mit Hindernissen. Es verwandt und verdrehte sich der Zwirn, es
staute sich die Nadel am Finger, es verschob sich das Zeug und
ließ sich mit jedem Zuge hoch in die Lüfte ziehen, es riß sogar
der Faden.
Als ich ein paar Stunden so herumgenäht hatte, ohne daß mein
Meister auch nur, eine Silbe zu mir gesprochen hätte, und als ich
endlich mit dem Ärmling fertig zu sein wähnte und mit dem Auge
fragte, was nun zu beginnen sei, antwortete er: „Jetzt trenne den
Ärmling wieder auf bis auf den letzten Stich und ziehe die Fäden
sauber aus. Achtung geben mußt nur, daß du den Stoff nicht an-
schneidest." Als ich das mit Angst und Schmerz getan hatte und
die Teile des Ärmlings wieder so dalagen, wie sie mir der Meister
in die Hand gegeben hatte, ließ er von seiner Arbeit ab und sprach
zu mir folgendes: „Ich hab' nur sehen wollen, wie du die Sache
angreifst. Just nicht ungeschickt, aber den Loden muß man zwischen
Knie und Tischrand einzwängen, sonst liegt er nicht still. Später,
wenn du's einmal kannst, wird er auch wohl ohne Einzwängen still
liegen, so wie bei mir da. Auf den Finger mußt du einen Fingerhut
stecken, sonst kriegt deine Hand gerade so viele Löcher wie der Loden.
Den Zwirn mußt du mit Wachs glätten, sonst wird er fransig und
reißt. Die Stiche mußt du so machen, daß einer über dem andern
reitet, das heißt man Hinterstiche, sonst klafft die Naht. Die Teile
mußt du so zusammennähen, daß du sie nicht wieder voneinander zu
trennen brauchst, und gibt es doch einmal zu trennen, so mußt kein
saures Gesicht dazu machen; empfindsam sein leidet unser Handwerk
nicht. Jeder Ochsenknecht wird dich ausspotten und wird dich fragen,
ob du das Bügeleisen bei dir hättest, daß dich der Wind nicht fort-
trägt, und wird, solange er deiner ansichtig wird, wie ein Ziegenbock
meckern. Laß ihm die Freud' und geh still und sittsam deiner Wege.
Ein gescheiter Mensch schämt sich nicht seines ehrlichen Handwerks,
und ein dummer vermag es nicht zu lernen. Der Schneider studiert
nie aus; jede Kundschaft hat einen andern Leib, jedes Jahr hat eine
andre Mode; da heißt's nicht bloß zuschneiden und nähen, da heißt's
auch denken, mein lieber Bub'; aus einem tüchtigen Schneider ist schon
manch ein hoher Herr hervorgewachsen. Der große Feldherr Derff-
linger ist ein Schneider gewesen. Deswegen, wenn du in dir wirklich
die Neigung empfindest zu diesem Stande, so will ich dich lehren, was
ich selber kann."
Ich nickte dankend mit dem Kopfe. Beim Weggehen sagte der
Alpelhoser zu mir: „Schneider werden? Wie ist dir denn das einge-
fallen ? Alleweil in der finstern Stube sitzen; in den meisten Häusern
lassen die Leut' nicht einmal Lust zu den Fenstern herein. Wenn du
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11
Ein einsamer Mann schritt eilig auf dem schmalen, grasbewachsenen
Fußpfade vorwärts. Er war noch jung. Ein leichter Flaum sproßte
über den frischen Lippen, und die hellgrauen Augen blitzten unternehmend
und sorglos in die Welt.
Ein lustiges Lied vor sich hinträllernd, achtete er wenig auf seine
Umgebung; er sah weder rechts noch links; er bemerkte es auch nicht,
daß die zuerst vereinzelt stehenden Sträucher und Bäume einander immer
näher rückten.
Plötzlich blieb er stehen. Die Pfade kreuzten sich nach verschiedenen
Richtungen, und gerade vor ihm erhob sich ein dichter Wald. Überlegend
sah er um sich. Weißer Nebel stieg aus den Wiesen hinter ihm; der
Mond war aufgegangen und goß sein bleiches Silberlicht über die Berge;
schwarz und schweigend stand der Wald da.
Sollte er eintreten? Einen Augenblick besann er sich. Dann warf
er trotzig seinen Kopf zurück und schritt vorwärts, zuerst vorsichtig, dann
rascher. Immer tiefer drang er ein. Gespenstig drohend streckten die
hohen Bäume ihre Äste gen Himmel. Der zuerst ziemlich breite Weg
wurde immer schmäler. Kaum mehr dem Auge erkennbar, schlängelte er
sich zwischen dem Buschwerk dahin.
Der Jüngling mochte wohl mehrere Stunden so gegangen sein;
Hunger und Müdigkeit drohten, ihn zu übermannen. Immer langsamer
wurden seine Schritte, bis er endlich ganz stehen blieb. Er konnte nicht
mehr vorwärts. Gerade vor ihm, quer über dem Weg, lag ein vom
Sturme entwurzelter Stamm. Erschöpft ließ er sich auf diesen nieder,
es war ihm unmöglich, weiter zu marschieren. Nachdem er eine Zeitlang
geruht hatte, raffte er sich empor und eilte wieder zurück auf dem Wege,
den er hergekommen war. Eine plötzliche, ihm sonst ganz ungewohnte
Angst hatte ihn überfallen. „Nur fort, nur heraus aus diesem Walde,"
dachte er, „ganz gleich, wohin." Trotz seiner Ermattung lief er vorwärts,
so schnell ihn die Beine trugen, einmal auf diesem, dann wieder auf jenem
Wege. Aber zu seinem größten Schrecken gewahrte er, daß er immer
wieder an den Ort zurückkehrte, von dem er ausgegangen war. Ver-
zweifelnd warf er sich nieder, vergrub das Gesicht in beide Hände, schluchzte
und rief laut um Hilfe. Als er wieder emporsah, schrak er zusammen,
denn vor ihm standen drei Männer.
Der eine trug ein prächtiges, reich mit Gold gesticktes Gewand, das
von einem glänzenden, mit Edelsteinen geschmückten Gürtel zusammen-
gehalten war. Der zweite hatte ein schwarzes Kleid mit rotem Gürtel
und der dritte ein blaues Hemd und einen einfachen Ledergurt. In der
nervigen Faust hielt er eine schwere Axt.
„Was tust du hier?" fragten ihn die drei. — „Erbarmt Euch meiner,
ich verschmachte. Sagt mir, wo ich eigentlich bin." — „Du bist im Walde
des Elends", gaben sie zur Antwort. — „Helft mir, rettet mich, führt
mich hinaus aus dieser entsetzlichen Wildnis", flehte er sie au. — „Wähle
einen von uns, der dich führen soll."
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24. Trinker-Ausreden.
Eine der Hauptursachen der Krankheiten ist die Unkenntnis des
Volkes in gesundheitlichen Fragen. Die große Menge, ob gebildet
oder ungebildet, lebt nach Grundsätzen und Anschauungen, die die
Gesundheit untergraben.
Ein Kernpunkt der Lebenskunstist die Ernährung, die richtige
Auswahl von Speise und Trank. Über kein Gebiet aber herrschen
so viele und so große Irrlehren wie über die Frage: Was soll der
Mensch trinken? Wissenschaftliche Tatsachen, die tägliche Erfahrung,
das Handgreiflichste wird auf den Kopf gestellt, um dem Genusse von
Wein, Bier und Branntwein mit Gewissensruhe frönen zu können.
Welche Ausreden sind es denn, womit der Trinker sein
Gläschen beschönigt? „Ich habe Durst", sagt der eine. Und doch
* hat er schon oft erlebt, wie er nach einem fidelen Abend, an dem er
mit so und so viel Glas den Riesendurst bezwungen, nachts vor
Durst erwacht und gierig nach der Wasserflasche greift. Der Alkohol,
den er im Wein, Vier und Schnaps zu sich genommen, hat im
Körper den Wassergehalt vermindert und sein Flüssigkeitsbedürfnis
gesteigert. Er will sich mit Wein und Bier den Durst stillen,
obwohl er längst erfahren hat, daß Alkohol Durst erzeugt. Wer
würde an einem Abend 5 bis 10 Seidel Wasser trinken? Es ist
unmöglich; denn der Durst wäre schon nach dem ersten Seidel gefüllt.
„Ich friere, mir ist zu kalt — ich muß mich durch ein
Gläschen wärmen", sagt ein anderer, und doch belehrt ihn das Thermo-
meter, daß bei Genuß von Wein, Bier und Branntwein die Blut-
wärme sinkt. Der Alkohol lähmt gewisse Teile des Gehirns, sodaß
die Blutgefäße der Haut sich erweitern und eine Blutflut zur Haut
entsteht; dies zeigt das rote Gesicht und das scheinbare Gefühl der
Erwärmung. Diese Täuschung ist die Ursache des Erfrierens all
jener Unglücklichen, die durch ein Schnäpschen sich Wärme zu schaffen
versuchten; denn die Blutflut in der Körperoberfläche gibt leicht ihre
Wärme an die kalte Umgebung ab, bis das Blut immer mehr und
mehr sich abkühlt. Sonderegger sagt in seinem trefflichen Buche
„Vorposten der Gesundheitspflege": „Ich wunderte mich über die
Fuhrleute in Kasan, die zu Hunderten den Frachtverkehr besorgen,
wie sie bei einer Kälte von 30 bis 35* C Tag und Nacht auf den
Beinen sein können und, um von Staüon zu Staüon zu gelangen,
stets mehrere Stunden unterwegs sein müssen. Meistens sind diese
Fuhrleute Tataren, die mit höchst seltenen Ausnahmen genau nach
dem Koran leben und keine geistigen Getränke genießen. Diesem
Umstande ist meines Erachtens ihre Ausdauer, ihre körperliche
Frische und ihre große Willenskraft zuzuschreiben." Es erfroren
bekanntlich Karl Xii. auf einem kurzen Zuge nach Gladitsch 3000
bis 4000 Mann, die sich mit Branntwein gegen die Kälte gestärkt
hatten. Seit langem ist den russischen Soldaten bei Wintermärsche rr
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Extrahierte Personennamen: Sonderegger Karl_Xii Karl
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der Wutki strengstens untersagt. Die Nordpolfahrer Weyprecht, Roß,
Nansen und andere bekunden übereinstimmend, daß man nur bei
Meldung alles Alkohols gegen die große Kälte gewappnet sei.
„Aber mir ist so schrecklich heiß/ erwidert mir ein anderer,
„ich trinke gegen die Hitze." Der Sprecher scheint keine Erfahrung
über Strapazen in der Hitze zu haben. Livingstone, der Jahrzehnte
im heißen Afrika zubrachte, schreibt: „Ich habe über 20 Jahre
nach dem Grundsätze der völligen Enthaltsamkeit gelebt; meine
Meinung ist, daß die schwersten Arbeiten, die größten Strapazen
ohne alkoholische Getränke ertragen werden können." Dasselbe be-
stätigen andere Afrikareisende, wie Peters, Emin Pascha, Graf v. Götzen,
Stanley u. a. Es gibt in den Tropen keinen besseren Zustand für den
Europäer als gänzliche Enthaltsamkeit von allen geistigen Getränken.
„Ich muß schwer arbeiten und brauche den Schnaps, den
Wein und das Bier" — so reden diejenigen, die von Jugend aus
gewohnt sind, die Flasche mit zur Arbeit zu nehmen und die noch
nie gehört haben, daß Alkohol nicht stärkt, sondern nur antreibt,
indem er das Müdigkeitsgefühl betäubt. Alkohol ist stets nur
„Peitsche", nie aber „Hafer". „Die augenblickliche Stärkung ist ein
Pendelschlag," sagt Prof. Binz, „dem naturgemäß der entsprechend
starke Ausschlag nach der anderen Seite folgt; der Gegenausschlag
aber ist die Lähmung." Überall, wo große, andauernde körperliche
Arbeit geleistet werden soll, wird der Enthaltsamkeit gehuldigt. Rad-
fahrer, Schwimmer, Reiter, Ruderer leben während ihrer Trainier-
zeit ohne Alkohol, um ihre Leistungsfähigkeit aufs höchste zu spannen.
„Nehmt keinen Alkohol, wenn ihr einen Treffer erzielen wollt", sagen
die Schweizer Schützen und leben wochenlang vor dem Preisschießen
enthaltsam. — „Gebraucht keinen Alkohol, wenn ihr ein guter Ball-
spieler sein wollt", sagte Grace, der Meister von England. —
„Gebraucht keinen Alkohol, wenn ihr ein guter Fußgänger sein wollt",
sagte Weston, der die halbe Welt zu Fuß bereift hat. — „Ge-
braucht keinen Alkohol, wenn ihr ein guter Reiter sein wollt", sagte
Houlan, der alle Reiter hinter sich' ließ. — „Gebraucht keinen
Alkohol, wenn ihr ein guter Schwimmer sein wollt", sagte Kapitän
Webb, der den Kanal durchschwommen hat. — Nur du allein sagst:
Ich bringe meine Arbeit ohne Alkohol nicht fertig.
Was man als erregende Wirkung des Alkohols ansah, hat die
Wissenschaft als Lähmung erwiesen: Der rote Kopf und die blaue
Nase des Trinkers sind nur eine Folge von Lähmung der Nerven
und der Muskeln.
„Aber ich bin schwach und muß mich stärken, ich brauche
ein kräftiges, gutes Nährmittel, darum trinke ich Wein und
Bier." Und dazu benutzt du ein Gift?! Alkohol ist ein schweres
Gift für den Menschen; dies ist eine allgemein anerkannte wissen-
schaftliche Tatsache. Früher schrieb man dem Alkohol fälschlicher--
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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gaben, durch welche die Erwerbsfähigkeit gehemmt wird. Man
will Kummer und Sorgen bekämpfen, und statt zum wahren Freunde
zu gehen, der einen mit Rat und Tat unterstützt, geht man zu
falschen Freunden in die Kneipe, die einem sagen: „Du bist nicht
schuld, sondern die heute herrschenden sozialen Einrichtungen, und die
dem Trostsuchenden einen Fußtritt geben, sobald er seine Wirtshaus-
rechnung nicht mehr bezahlen kann."
Die letzte Ausrede des Alkoholfreundes ist die schwerwiegendste:
„Mein Beruf erlaubt es mir nicht, mich des Alkoholgenusses zu
enthalten." Damit wälzt er die Schuld von sich ab und stempelt sich
zum Märtyrer.
Die Statistik weist nach, daß es keinen Beruf gibt, in
dem man nicht ohne Alkohol leben kann. Alle Einwendungen der
Alkoholfreunde schrumpfen in ein Nichts zusammen, es sind Ausflüchte
und Beschönigungen; wer offen und ehrlich sein Glas verteidigen
will, sage doch lieber: Ich trinke Wein und Bier, weil ich gern trinke,
oder weil ich mich schäme, etwas anderes zu trinken.
Der Alkohol, wie er im Wein, Bier und Schnaps getrunken
wird, ist also durchaus unnötig, und das viele Geld ist nutzlos
vergeudet. Deutschland gibt in jedem Jahre 3 Milliarden Mark
für Alkohol aus, doppelt soviel als der gesamte Reichshaushalt aus-
macht. Während die ganze Steuer auf den Kopf der Bevölkerung
25 M beträgt, gibt unser Volk pro Kopf 50 M für Alkohol
aus. Und mehr als 150000 Deutsche führt der Alkohol jährlich
vor den Strafrichter. Wieviel Elend und Not enthalten diese
trockenen Zahlen!
Wenn es doch nur vergeudet wäre, aber Alkohol ist ein Gift
und eine Ursache vieler Erkrankungen. Charles Darwin
sagt: „Durch meine, meines Vaters und meines Großvaters lange
Erfahrungen... die sich über mehr als ein Jahrhundert erstrecken, bin
ich zu der Überzeugung gelangt, daß keine andere Ursache so viel
Leiden, Krankheit und Elend erzeugt als der Genuß alkoholischer
Getränke." Dieselbe Ansicht haben die berühmtesten Professoren und
Ärzte. Alle Organe des Menschen werden von diesem Gifte in
ihren Verrichtungen gestört und krankhaft verändert. Der chronische
Katarrh des Rachens und der chronische Magenkatarrh des Trinkers
sind allgemein bekannt. Daß die unheilbaren Nieren- und Leber-
leiden zum großen Teil Folgen des Alkohols sind, hat leider schon
mancher zu spät erfahren müssen. Als Nervengift kennzeichnet sich
der Alkohol schon durch seine lähmende Wirkung am Gehirn. Es
gibt keine Nervenkrankheit, wobei nicht der Alkohol als ursächliches
Moment eine Rolle spielte. Im Berliner Krankenhaus werden jähr-
lich 5 bis 600 an Säuferwahnsinn leidende Kranke ausgenommen, ab"
gesehen von den vielen anderen Nervenkranken.
Nach vr. Franz Schönenberger.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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Extrahierte Personennamen: Charles_Darwin Franz_Schönenberger Franz
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Heute stand er auch da und fiedelte aus Leibeskräften, und der
Pudel hielt den alten Hut hin. Aber die lustigen Leute plauderten und
lachten und gingen vorüber, und der Hut blieb — leer. Hätten sie
nur einmal einen Blick auf den ehrlichen Alten geworfen! Er hatte für
das Letzte, was er hatte, neue Saiten aus seine Geige gekauft; und
während er feine alten Märsche und Ländler spielte, blickte er seufzend
und trübe auf die fröhliche, wogende Menschenmenge, auf die Pracht des
Reichtums und den Übermut der Glücklichen. — Heute mußte er hungern
auf seinem Strohlager im Dachstübchen. Sein Pudel war in der Tat
besser daran als er; der fand sicher auf dem Heimwege vor irgend
einem Rinnstein einen Knochen, an dem er seine Abendmahlzeit halten
konnte.
Schon war^s ziemlich spät am Nachmittage. Manche Gesellschaften
und Familien schickten sich schon zum Heimgehn an, und noch kein Kreuzer
war in den Hut gefallen. Seine Hoffnung war so nahe am Untergehen
wie die liebe Sonne am blauen Himmel. Da legte sich denn ein recht
tiefes Leid auf seine Seele, und das wetterharte, vernarbte Gesicht
spiegelte ab, was drinnen in der Brust vorging. Er ahnte nicht, daß
schon längere Zeit nicht weit von ihm am Stamm eines Baumes ein
stattlicher, feingekleideter Herr stand, der ihm lange Zeit zuhörte und ihn
mit dem Ausdrucke tiefsten Mitleids betrachtete. — Als nun alles frucht-
los blieb und die müde Hand des Greises den Bogen nicht mehr führen
konnte, auch sein gesundes Bein ihn kaum mehr trug, setzte er sich aus
den Stein, den er sich fiir den Fall der Ermüdung unter den Baum
getragen hatte, stützte die Stirn in die hohle Hand, und die Erde sog
einige heimliche Tränen ein.
Der fremde Herr aber, der dort an dem rauhen Stamme der alten
Linde lehnte, hatte es gesehen, wie die Hand, die nur noch drei Finger
übrig hatte und mit diesen den Bogen führte, die Tränen heimlich ab-
wischte. Es war, als ob die Tränen des alten Invaliden wie heiße
Tropfen ihm selbst auf das Herz gefallen wären. Er eilte auf den
Invaliden zu, reichte ihm ein Goldstück und sagte: „Leihet mir Eure
Geige ein Stündchen!"
Der Alte sah voll Dankes den Herrn au und reichte ihm die
Geige. Sie war an sich so schlecht nicht; nur der, der sie gewöhnlich
handhabte, kratzte übel darauf herum. Der Herr stimmte sie glockenrein,
stellte sich darauf ganz nahe zu dem Invaliden und sagte schmunzelnd
zu ihm: „Kollege, nun haltet Ihr den Hut und nehmt das Geld, und
ich spiele!"
Der fing denn nun an zu spielen, daß der Alte seine Geige neu-
gierig betrachtete, als ob er sie fragen wollte, wo sie denn den wunder-
vollen Klang her habe. Er kannte sie gar nicht mehr. Der Ton der
Geige war lauter Gesang und ging so wunderbar in die Seele hinein,
daß man gar nicht wußte, wie es einem war. Die Töne rollten wie
Perlen dahin. Manchmal war es, als jubelten lauter Engelstimmen in
der Geige, und dann wieder, als klagten herzergreifende Laute den tiefsten
5*
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld]]
104
nommen haben, und dennoch hingen seine Blicke wie geistesverloren an
den drei elfenbeinernen Kugeln, die auf dem nächsten Billardtisch inmitten
des grünen Tuches lagen. Und da kam es ihm vor, als wären die beiden
weißen Kugeln die zarten, lieben Gesichter seiner zwei kleinen Mädchen,
und die rote Kugel erschien ihm wie das gesunde, pausbäckige Gesicht
seines herzliebsten Buben. Und diese drei Gesichter schauten ihn an mit
großen, ängstlichen Augen, und diese Augen schienen zu sprechen: „Vaterl,
um Gotteswillen, Vaterl, laß dir nur ja nichts einreden von dem schlechten
Kerl. Schau, was hättest denn davon, wenn du einen Haufen Geld
im Kasten liegen hättest und könntest deinen Kindern und der Mutter
nimmer gerad' in die Augen schauen? Laß dir nichts einreden, Vaterl!"
Mit einem jähen Ruck sprang der junge Mann von seinem Stuhl
empor, streckte das zorngerötete Gesicht mit den blitzenden Augen weit über den
Tisch und stammelte mit heiserer Stimme: „Und das Weitere, meinen Sie,
das wird sich dann schon finden? Wenn Sie mich erst einmal auf zehn
Jahre in Ihren Händen hätten, dann könnten Sie mich schon so lange
kneten und bearbeiten, daß mir schließlich nichts andres übrig bliebe, als
ein Schuft zu werden und Ihnen das Fabrikationsgeheimnis meines jetzigen
Herrn zu verraten." Zornig packte er seinen Hut, stülpte ihn über bi«
gesträubten Haare, stapfte mit langen Schritten davon und schoß zur
Türe hinaus.
Bald erreichte er sein Heim, weit draußen in einer stillen Vorstadt-
gasse. Mit hurtigen Sprüngen eilte er die vier engen, steilen Treppen
hinauf. Seine schmucke, blonde Frau empfing ihn. „Grüß dich Gott,
Robert!" sagte sie und schaute ihn von der Seite an, denn sie las es ihm
gleich vom Gesicht, daß irgend etwas nicht in der Ordnung war. Diese
Wahrnehmung aber verschwieg sie ihm. Sie faßte seinen Arm und zog
ihn in die Stube. „Komm nur, kannst mir gleich die Kerzen aufstecken
helfen. Die Kinder wollen schier nimmer warten. Sie schreien wie die
Wilden, und der armen Großmutter haben sie schon alle Falten vom Rock
heruntergerissen."
Sie traten in das Zimmer, welches, von einer Hängelampe erhellt,
trotz seiner dürftigen Ausstattung einen behaglichen, fteundlichen Eindruck
machte. Der Tisch war schon zum Abendessen gedeckt, und seitwärts, auf
einem niedern Kasten, stand der kleine, nicht allzuschwer behängte Christ-
baum, unter welchem die kärglichen Weihnachtsgaben für die Großmutter
und die Kinder ausgebreitet waren.
Sie redeten eine Weile über diese Sachen und Sächelchen hin und
her, dann begannen sie die Kerzen aufzustecken, während aus dem an-
stoßenden Zimmer der übermütige Jubel der drei „Wilden" sich hören ließ.
„Robert? Mir kommt es vor, als hättest du heut' einen Verdruß
gehabt?" ftagte nach einer Weile die junge Frau. „Gott bewahre!"
brummte er und schüttelte den Kopf. Sie ftagte nicht weiter, denn sie
kannte ihn — und da kam's nach kurzen Minuten von selbst aus ihm
heraus, diese Kaffeehausgeschichte. „Heute nachmittag, gerad' wie ich aus
der Fabrik hab' fort wollen, hat mir einer einen Brief geschickt, ich soll
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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Qus dem Körper wieder heraus sei; dann aber müßte man es so
lange reiben, bis die Wärme wiederkehre, und wenn dadurch das
Leben nicht zurückgerufen würde, sei alle Hilfe vergebens.
Da trat eine junge Dame, welche erst seit wenigen Wochen als
Erzieherin im Hause war, vor und erhob bescheiden, aber mit großer
Bestimmtheit Einspruch gegen die vorgeschlagenen Maßregeln. Sie
habe erst vor kurzem an dem Unterricht in einer Samariterschule
teilgenommen und dort gelernt, wie man sich bei Rettungsversuchen
an scheinbar Ertrunkenen zu verhalten habe. Das, was der Schäfer
vorgeschlagen, sei durchaus nicht zweckmäßig. Wenn man ihr gestatten
wolle, das Erlernte hier anzuwenden, so hoffe sie, daß es noch möglich
sei, den Knaben wieder ins Leben zurückzurufen. Die Ruhe und
Zuversicht, mit welcher das junge Mädchen gesprochen, flößte der ver-
zweifelten Mutter neue Hoffnung ein. Sie bat die Erzieherin, alles
zu tun, was sie für nötig halte. Deren erster Rat war, einen
Eilboten nach der Stadt zu schicken, um den Arzt zu holen, der
zweite der, einige wollene Decken wärmen zu lassen. Dann legte sie
sofort selbst Hand an, wobei sie das verständige Hausmädchen auf-
forderte, ihr Hilfe zu leisten. Mit einigen Scherenschnitten trennte
sie Jacke und Hemd und streifte die Kleider vom Oberkörper völlig
ab; mit einem Taschentuch entfernte sie den Schlamm, der sich im
Munde befand, zog die Zunge hervor und band die Spitze derselben
mit dem Taschentuch auf dem Kinn fest; dann begann sie mit dem
Hausmädchen die künstlichen Atembewegungen auszuführen, wie sie
es in der Samariterschule gelernt hatte. In stets gleichem Tempo
wurde durch Erheben der Arme bis über den Kopf der kleine Brust-
kasten möglichst weit ausgedehnt und dann wieder durch Senken der
Arme und Druck auf die Seitenflächen der Brust zusammengedrückt.
Mit deutlich hörbarem Geräusch drang der Luftstrom ein und aus,
aber das Kind lag blaß und leblos, wenn die beiden Mädchen er-
mattet von der Anstrengung aus Augenblicke ihre Bemühungen aus-
setzten. Eine Viertelstunde nach der andern verging; immer mehr
schwand die Hoffnung der Mutter und der Umstehenden. Endlich,
nachdem mehr als eine Stunde lang die Bewegungen fortgesetzt waren,
schrie plötzlich das junge Mädchen auf: „Jetzt hilft es! Er fängt
an zu atmen!" Und siehe da, als sie mit den Bewegungen einhielten
hob sich die kleine Brust von selbst, und eine leichte Röte färbte die
blassen Wangen. Lauter Jubel der Umstehenden erhob sich; aber
die beiden Helferinnen ließen noch nicht nach und setzten, obwohl
aufs äußerste erschöpft, ihre Bemühungen unablässig fort, bis die
Wangen sich lebhafter röteten und der Kleine plötzlich die Augen
ausschlug. Nun wurden auf Geheiß der jungen Samariterin die ge-
wärmten Decken herbeigebracht, in welche der Kleine nach Beseitigung
der übrigen Kleidungsstücke eingehüllt und mit denen er dann tüchüg
gerieben wurde. Der Kleine sing an zu sprechen und verlangte
etwas zu trinken. Man flößte ihm warmen Thee ein und trug ihn
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau]]
TM Hauptwörter (200): [T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann]]
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Hnb nun bedenke man noch, daß diese Maschinen heutzutage
in Tausenden von Exemplaren in der Xdclt verbreitet sind, dann
wird man sich einen Begriff machen können von der Bedeutung,
welche die Zündhölzchenindustrie in unserer Zeit erlangt hat.
wir sehen, das kleine Zündhölzchen, das rasch vergängliche, hat
eine ruhmreiche Geschichte; es ist eine bewundernswerte Leistung des
Menschengeschlechts; in ihm steckt eine ungeheure Lumme scharf-
sinniger Geistesarbeit. Der Neger hat recht, wenn er beim Anblick
des seltsamen Dinges, das Licht und Feuer sprüht, ausruft, es sei
ein Zauber; denn das kleine Hölzchen übertrifft sicher die wunder-
baren Aünste der alten Magier. «. ga[ten^orft.
67. Hand und Maschine.
Wenn der Mensch seinen höchsten Vorzug vor dem Tiere in seinen
geistigen Gaben erkennt, so darf er doch über jenen herrlichsten Geschenken
ein anderes nicht undankbar übersehen, durch das er sein Leben erhält
und schmückt, die Hand.
Dieses so einfach scheinende, so zweckmäßig und kunstvoll gebaute
Glied befriedigt ihm die notwendigsten Bedürfnisse. Die Hand sammelt
Nahrung und führt sie zum Munde, sie fertigt das weiche Gewand, baut
die stattliche Wohnung und verteidigt ihn gegen die gefährlichsten Feinde.
Fast jede Einwirkung des Menschen auf die umgebende Natur geschieht
durch die Hand. Die Sprache selbst erkennt dies an, indem sie die
menschlichen Werke im Gegensatz zu den Schöpfungen der Natur als
Werke der Menschenhand bezeichnet.
Doch in neuerer Zeit hat der Mensch einen anderen Gehilfen ge-
funden, welcher der Hand viele Arbeit abnimmt: die Maschine. Wohin wir
blicken, arbeitet die Maschine. Sie pflügt, sät, drischt, sie spinnt, webt,
strickt, näht; sie bewegt das Dampfschiff und das Dampfroß, daß sie mit
Windeseile dahinsausen; sie fertigt Papier und bedruckt es, daß in wenig
Stunden die Ereignisse des Tages oder die Gedanken der bedeutenden
Männer Tausenden durch die Zeitungen kund gegeben werden; selbst
Bilder bringt sie hervor im photographischen Apparat. Diese vielfache
Anwendung der Maschine läßt annehmen, daß sie wesentliche Vorteile
bietet. Vor allem ist es die Gleichmäßigkeit, durch welche sie die größte
Sorgfalt des Menschen übertrifft. Man nehme z. B. eine Teilmaschine;
sie macht einen Maßstab genau wie den andern. Die Rädchen, welche
zur Uhrenfabrikation von der Maschine gefertigt werden, sind einander so
gleich, daß man sie gegeneinander austauschen kann. Dann kommt die
Schnelligkeit in Betracht, die der Mensch nicht erreichen kann. Eine
Nähmaschine näht wohl zehn und mehr Stiche in der Zeit, in welcher
die Hand der geübten Näherin einen Stich macht. Wo die Maschine
nicht wesentlich schneller arbeitet als die Menschenhand, vermag sie dadurch
Größeres zu leisten, daß sie eine große Anzahl von Stücken zu gleicher
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung]]
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76. Eine Leipziger Zunftgeschichle aus dem 16. Zahrhunderi.
Die Goldschmiede der Stadt Leipzig hielten Morgensprache. Vor
der geöffneten Lade stand der Obermeister; an der Tafel saßen die Mit-
glieder der ehrsamen Innung der Goldschmiede. Nachdem der Obermeister
die Morgensprache in althergebrachter Weise eröffnet hatte, hub er an,
den Jnnungsmeistern einen Fall vorzutragen, der die Gemüter aller schon
längst aufs tiefste erregt hatte.
„Ihr alle wißt," so sprach der Obermeister, „daß sich hie zu Leipzig
einer hat eingedrungen und Bürger geworden ist, seines Handwerks ei«
Tischler. Derselbe Tischler hat nun schon eine lange Zeit Schaugroschen
(Medaillen) gegossen."
„Hans Reinhart! Der Pfuscher, der Stümper, der Störer und
Bönhase!" schrien die Meister durcheinander; „er soll unsere Stadt
verlassen und dahin wandern, woher er gekommen ist."
„Und das muß auch geschehen," fuhr der Obermeister fort, „es
ist nun offenbar, daß er in unsere Ordnung gegriffen hat; denn er
verfertigt jetzt nicht nur Groschen, sondern auch Löffel, Gürtel, Dolchs
und andere Dinge, die herzustellen nur uns zukommt; und unsere Arbeit
wollen wir nicht von anderen machen lassen, die nicht zur Innung ge-
hören ; unsere Nahrung hat von Jahr zu Jahr abgenommen, und viele
von uns sind, die nichts zu tun und seit langer Zeit keinen Auftrag
erhalten haben."
„Aber zugeben müßt ihr doch," unterbrach Meister Georg Treutler
den Obermeister, „daß er sein und unser Handwerk versteht; ich habe
bei ihm einen Schaugroschen gesehen, der den Kurfürsten von Sachse«
darstellt, wahrlich, etwas Schöneres und Künstlicheres ist mir bisher noch
nicht unter die Augen gekommen."
„Wir wissen wohl," verwies der Obermeister dem Meister Treutler
die Rede, „daß du es mit dem Fremden hältst, und schon oft bist du
bei ihm gesehen worden."
Jetzt griff der Obermeister in sein Gewand und zog einen Dolch
heraus und legte ihn den Meistern vor. Mit Begierde wurde die Arbeit
von allen Seiten betrachtet, und der Dolch wanderte von Hand zu Hand.
„Diesen Dolch", sprach der Obermeister, „hat Hans Reinhart letzthin
angefertigt und unserem Mitbruder Lorenz Albrecht zum Fertigmachen
gebracht, und Lorenz Albrecht hat es auch übernommen, die Arbeit des
Störers zu vollenden."
Da erhob sich auf allen Seiten Unwillen und Zornrede wider
Hans Reinhart. Der Obermeister aber ergriff den Dolch und zerbrach
ihn vor den Augen der Meister. „Die Stücke bringt Hans Reinhart,
damit er erkennt, wie die ehrsame Innung der Goldschmiede zu Leipzig
ihre Rechte wahrt." Mit diesen Worten schloß der Obermeister die
Morgensprache.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
Extrahierte Personennamen: Reinhart Georg_Treutler Hans_Reinhart Lorenz_Albrecht Albrecht Lorenz_Albrecht Albrecht Hans_Reinhart Hans_Reinhart